Am 26. August 2013 ist unsere
Adelinde Werner


geb. Lausmann (Saml-Lindi), verstorben.

Am 26.8.2013 verstarb, nach langem 4 ½ jährigem Krankenlager Adelinde Werner geb. Lausmann
(Saml, Lindi) Karrenhansenhaus Nr. 260, Silberbach.


Mutter Anna und Adelinde

Lindi wurde am 30.9.1929 als erstes Kind der Eheleute Anna, geb. Hüttl und Ernst Lausmann in Silberbach geboren.

Sie besuchte die Bürgerschule, erlernte am Ort in der Breinl Fabrik den Beruf der Näherin.

Lindi wurde am 1.10.1946 mit Transport Nr. 18 Waggon Nr. 9, im Alter von 17 Jahren und 3 Wochen später als ihre Familie aus der Heimat vertrieben. Lindi war zur Aufrechterhaltung der Produktion zurück gehalten worden.

In dieser ungewissen und unruhigen Zeit als junges Mädchen von der Familie getrennt zu sein, allein zurück bleiben war bereits ein Trauma, dem dann später das noch größere Trauma der Ausweisung folgen sollte. Diese monatelange Tragödie vor Augen, mit allen nur denkbaren Ängsten, dem von allem was ihr ans Herz gewachsen war.

Die Vertrautheit ihres Hauses, der Familie als Hort der Geborgenheit und Sicherheit, die geliebte Heimat, die unmittelbare nahe Gegend und die Natur, die sie auf vielen Wanderungen mit ihrem Vater so innig ins Herz geschlossen hatte. Die Wege am Tobisenberg, in der Nancy oder hinauf zur Bleiberg-Warte, die immerwährenden Tag- und Nachtgeräusche des murmelnd, gurgelnd und plätschernden Wassers des Silberbachs vor dem Haus. Gedanken versunken wird sie an jenem schlimmen Tag der Ausweisung auf ihrer Kistentruhe mit der Aufschrift: Lindi Lausmann, Silberbach, Haus Nr.260 gesessen haben. In die Truhe hatte sie vor Abreise ihre lieb gewonnenen Poesiealbenbilder geheftet und einige wenige persönliche Sachen hinein getan.

Von Graslitz aus in einem „Viehwaggon“ wie sie immer sagte, ging es dann in ein bis dahin ihr unbekanntes Land nach Bayern. Von dort musste sie nach Altmorschen/Hessen, um wieder mit ihren Eltern und der jüngeren Schwester zusammen zu treffen. Die Familie war wieder vereint, doch die Gedanken begleiteten sie traurig und tränenreich, wenn sie nur an die Heimat dachte.

Bald lernte sie ihren Mann Heinz Werner bei einem Tanz aus dem nahen Heinebach kennen. Sie heirateten am 17.11. 1951 und es begannen für beide Jahre voller Tatendrang. Während ihr Mann bei der Deutschen Bundesbahn arbeitete, war Lindi in ihrem erlernten Beruf als Näherin bei der Firma Anger, die ebenfalls aus Silberbach kommend hier einen Neubeginn startete, beschäftigt. Im Nebenerwerb betrieben Heinz und Lindi noch eine Landwirtschaft. Sie bekamen 3 Kinder, Karin, Doris und Rainer.

Eine Oma galt es noch zu versorgen und Lindi arbeitete immer schnell, gern, war genau in dem was sie tat und freute sich über ihr Heim und das Geschaffene. Die Gedanken über die Heimat waren bei ihr. Sie sprach nur selten darüber. Allenfalls über die starken Winter, die so heftig waren, dass der Schnee bis zu den Fenstern reichte, so dass sie mit Skiern die Stube über das Fenster verlassen konnte. Ihren Kindern kam diese Geschichte unglaublich vor, das konnte man sich hier im Hessenland wahrlich nicht vorstellen.

Der Schrecken über das Erlebte begleitete sie ihr ganzes Leben. Sorgsam hütete sie ihr Eigentum, verriegelte oder verschloss es. Wollte ihr Haus nur ungern verlassen.

Tränenreich waren die erst in ihren älteren Tagen ermöglichten Besuche ihrer geliebten Heimat. Wie stand sie dort auf der Wiese, wo sie einst als Mädchen Blumen pflückte, wo einst ihr Haus gestanden, hier war sie noch ungeübt, mit gerade erst erhaltenen schönen Kleidern auf Ihren Skiern in den Bach gefahren. Viele Tränen flossen über ihr Gesicht. Wie oft war sie von der Hausstelle 260 zu ihrer Patentante der Klanfritz Marie gegangen, um dort im Geschäft auszuhelfen.

All die vielen Jahre ihres Lebens hatte sie nie davon gesprochen, behielt alles bei sich, nur, das sie im Viehwaggon die Heimat verlassen musste. Diese Schmach brach immer wieder aus ihr heraus. Wie beglückt war sie auf ihrem Krankenlager, wenn sie die vertrauten Bilder von Silberbach sah und wie lauschte sie innig in die Mundartgeschichten. Bis beinahe zuletzt konnte sie Namen und Häuser gut zuordnen. So tief hatte sich alles in das Gedächtnis gegraben. „Du interessierst dich“, sagte sie zu ihrer ältesten Tochter Karin, die als einzigste der Kinder das Gedächtnis der Mutter an die Heimat pflegt.

Die Aussegnung war feierlich begleitet mit einem Lied von Benjamin Hochmuth (Silberbach-Lied, hier anzuhören).

Wir Hinterbliebenen sind stolz auf die Lebensleistung unserer Mutter.

Vielen Dank an Ihre Tochter Karin Rinke für den schönen Nachruf.