EIN LANGER, STEINIGER WEG

Bericht über die Restaurierung des Dörfler-Polizisten-Grabes

In den letzten Jahren fristete das einst so schöne und imposante Grab des Gendarmerie-Wachtmeisters Adolf Dörfler und seiner Frau Anna (geborene Sattler) im hinteren Bereich des Silberbacher Friedhofes ein eher trauriges Dasein.


Foto: Grabplan der Gemeinde Silberbach/Stříbrná (www.stribrna.cz)

Laut Auflasssungsverordnung der Gemeinde sollte das Grab bereits im Jahr 2020 weggeräumt werden, da die Pacht nicht mehr bezahlt wurde und die vorderen Säulen der schweren Graniteinfassung herabgestürzt und in den Hauptweg gefallen waren. Nur die Corona-Pandemie und andere Projekte der Gemeinde verhinderten, dass es endgültig vom Antlitz der Erde verschwand.

Bei jedem Gang zu unserem Familiengrab, das sich in der unmittelbaren Umgebung befindet, richtete ich immer einen wehmutsvollen Blick auf das Dörfler-Grab.

Anfang 2023 startete ich über das Internet und die bekannten Heimatzeitschriften einen letzten Aufruf zur Rettung der Gräber auf dem Silberbacher Friedhof, da die Gemeinde ankündigte, Grabstätten ohne Pächter aufzulassen. Zu meiner Freude und Verwunderung meldeten sich auf diesen Aufruf viele Leute – darunter auch Frau Uschek vom ehemaligen Heimatverband der Graslitzer e. V. – und sie hatte eine grandiose Idee. Sie teilte mir mit, dass sie noch ein Exemplar des längst vergriffenen und beliebten Silberbach Heimatbuches von Adolf Lienert durch Zufall aus einem Nachlass erhalten habe. Sie würde es gerne an einen Heimatinteressierten verkaufen und von dem Erlös im Namen des Heimatverbandes die Patenschaft für eine Grabstelle übernehmen. Es sollte vielleicht das Grab einer Person sein, die sich durch besondere Leistungen für den Ort verdient gemacht hatte, etwa ein Pfarrer oder Bürgermeister.

Sofort dachte ich an Adolf Dörfler, der vor allem im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts als Polizist für die Gemeinde Silberbach tätig war. In den alten Gemeindeprotokollen hatte ich viel über ihn gelesen – es waren spannende Begebenheiten. Er sorgte wahrhaft für Recht und Ordnung in unserem kleinen Dorf und war dabei einigen Gefahren ausgesetzt, z. B. bei der Schlichtung von Raufereien in den örtlichen Wirtshäusern oder bei der Begehung von gefährlichen Plätzen. Ich war der Meinung: Er hatte es defintiv verdient, dass seine Grabstätte weiterhin auf dem Friedhof erhalten bliebe.

Sofort fragte ich bei Frau Mare šová, unserer lieben Friedhofsverwalterin der Gemeinde Silberbach nach, ob trotz der seit 2020 bestehenden Auflassungsurkunde noch die Möglichkeit bestünde, das Grab zu retten. Frau Mare šová gefiel diese Idee sehr, deshalb bot sie mir sofort die Möglichkeit, den Grabplatz für weitere 15 Jahre zu mieten.

Da das Silberbach-Heimatbuch auch schnell verkauft war und die Überweisung von Frau Uschek daraufhin fix bei mir einging, stand dem Vorhaben auch nun finanziell nichts mehr im Wege.

Es war allerdings noch Winter, so dass wir mit der Restaurierung des Grabes noch einige Wochen warten mussten. Jetzt wo die Verträge abgeschlossen und die Gebühr bezahlt wurde, konnte ich es kaum noch erwarten, zu starten. Ich wollte es auf jeden Fall erst einmal in Eigenleistung versuchen.

Als das Wetter sich besserte und der Frühling langsam Einzug nahm, erhielt ich wie durch ein Wunder eine e-Mail von einer Frau, die sich mit dem Vornamen Gabriele als Urenkelin von Adolf Dörfler vorstellte und sich für die Miete des Grabes zu dessen Erhaltung anbot. Es war fast so, als hätte sie der Gendarmerie-Wachtmeister selbst gerufen, um auf sich aufmerksam zu machen. Gabriele hatte das Grab allerdings zuletzt vor 10 Jahren besucht und war deshalb der Meinung, dass es sich noch in einem guten Zustand befände …

Ich musste ihr bedauerlicherweise mitteilen, dass dem längst nicht mehr so ist und sie informieren, dass sie ein paar Wochen zu spät kam, das Grab hat mit mir inzwischen einen neuen Pächter. Dies kann auch leider nach Vertragsabschluss mit der Gemeinde nicht mehr rückgängig gemacht werden. Aber ich versprach ihr, mich in bester Weise um das Grab und dessen Erhaltung zu kümmern, wofür sie sich sehr bedankte.
Wie es der Zufall so wollte, kam beim weiteren Kontakt mit Gabriele heraus, dass ihr Urgroßvater Emanuel Lausmann ein Bruder meines Ur-Urgroßvaters Franz Lausmann war und wir dadurch auch entfernt verwandt seien, also beschlossen wir, uns in ein paar Wochen in Silberbach zu treffen, um uns näher kennenzulernen.

Bevor ich aber von diesem Treffen erzähle, möchte ich von den ersten Arbeiten an der Grabstätte berichten, welche mein Vater und ich inzwischen begonnen hatten. Zu allererst befreiten wir die Einfassung von jahrzehntelangem Graswuchs und Wurzeln sowie alten, halb zerfallenen Kränzen und zerbrochenen Grablichtern.

Als alles frei geräumt war, entdeckten wir, dass sich mit den Jahrzehnten auch die seitlichen Säulen des Rahmens nach außen verschoben hatten. Deshalb entfernten wir zunächst einmal das Erdreich und versuchten, die linke und die rechte Granitsäule mittels Brecheisen wieder gerade auf die untere Einfassung zu stemmen. Dies erforderte eine Menge Kraftaufwand, doch am Ende gingen wir siegreich hervor.

Das schlimmste stand uns jedoch noch bevor – der vordere Bereich des Rahmens, der aus einer kleinen, einer mittleren und einer sehr langen Säule bestand, war – wie bereits anfangs erwähnt - komplett herabgefallen. Die drei Säulen lagen vor uns auf dem Hauptweg des Friedhofs und waren bereits von Gras überwachsen und in der Erde versenkt.

Wir mussten daher auch zu Schaufel, Pickel und Brecheisen greifen, um die Säulen auszugraben und die drei aufeinandergefallenen Granitsteine voneinander zu trennen. Als wir damit fertig waren, stemmten wir die kleinste Säule in den untersten, offenen Bereich der vorderen Einfassung.

Bereits hier hatten wir eine Menge Schweiß und auch Blut investieren müssen, denn selbst die kleinste der drei Säulen erwies sich als sehr widerspenstig. Mit letzter Kraft schafften wir es aber schließlich doch, sie wieder in den Rahmen zu stemmen und mittels Beton darin zu fixieren. Gleiches galt mit noch erheblicherem Kraftaufwand für die mittlere Säule.

Wir waren nun am Ende unserer Kräfte und es schien uns schier unmöglich, die größte der drei Granitsäulen wieder über einen Höhenunterschied von ca. einem halben Meter auf den obersten Rahmen zu stemmen. Wir resignierten traurig und entschieden uns, die dritte Säule lediglich vom Hauptweg des Friedhofes zurück zum Grab zu schieben und die Grabstelle oben offen zu lassen. Dies sah nicht schön aus, doch es blieb uns nichts anderes übrig.

Die Tage vergingen und schließlich kam das Wochenende, an welchem ich mich mit Gabriele, der Urenkelin von Adolf Dörfler und ihrer Familie traf. Wir durchwanderten Silberbach, ich zeigte ihr das Haus unserer Lausmann-Vorfahren und auch die Stelle im Matzenwinkel, wo ihr Urgroßvater Adolf Dörfler einst lebte und heute ein Ferienhaus steht. Es war ein wunderschöner Tag, den ich mit sehr lieben Menschen verbringen durfte.

Bevor Gabi und ihre Familie nach Hause fuhren, verschlug es uns noch gemeinsam zur besagten Grabstelle. Sie waren entsetzt über die Tatsache, wie sehr das Grab in den letzten 10 Jahren zusammengefallen war. Ich erklärte ihr, dass wir leider mit der dritten Säule leider aufgeben mussten, da sie nicht allein mit Muskelkraft das Grab gehoben werden konnte. Gabriele verstand es und bot mir schließlich an, sich an den Kosten für die Anbringung des Steines durch eine Fachfirma zu beteiligen, sollten wir die Restaurierung fertigstellen. Dies hat mich sehr berührt und ich willigte schließlich freudig ein.

Ein paar Tage später telefonierte ich mit meinen Eltern und erzählte ihnen von dem Treffen mit Gabriele. Dabei dachten mein Vater und ich nochmal alles durch, wobei ihm eine zündende Idee kam: Da wir die Säule nicht allein heben konnten, könnten wir es doch mittels unseres Hydraulik-Wagenhebers versuchen, den wir immer zum Wechseln unserer Autoreifen verwendeten. Diese Idee musste natürlich in die Tat umgesetzt werden, ansonsten hätten wohl weder mein Vater noch ich Ruhe gefunden. Daher wagten wir uns am darauf folgenden Wochenende, das zufällig auch noch das Osterwochenende war, mit dem Wagenheber bewaffnet zur Grabstelle der Dörflers.

Wir setzten also den Wagenheber an der schweren und langen Granitsäule an – und siehe da - es klappte! Die zentnerschwere Säule bewegte sich wie durch geisterhand mit einer Leichtigkeit nach oben. Das war schon mal gut, doch standen wir vor einem neuen Problem: Wie sollten wir den Höhenunterschied von mehr als einem halben Meter mit dem Wagenheber überwinden?

Nach kurzer Überlegung begannen wir mit einer sehr komplizierten und mühsamen Arbeit, die uns fast den gesamten Ostersamstag kostete. Zuerst holten wir aus meinem Garten etwa 30 Ziegelsteine, die wir zum Grab per Schubkarre fuhren. Nun legten wir links und rechts vor das Grab jeweils zwei nebeneinander liegende Ziegelsteine und hoben die schwere Granitsäule auf das aus insgesamt vier Ziegelsteinen bestehende Konstrukt. Immer wenn dies geglückt war, hoben wir die eine Seite des Granitsteins an und schoben zwei weitere Ziegelsteine darunter – erst auf der einen – dann auf der anderen Seite, so dass wir mit dem Stein immer ein Stückchen höher kamen.

Als wir mit der schweren Säule ganz oben angekommen waren, nahmen mein Vater und ich jeweils eine Brechstange und kippten die Granitsäule auf den Rahmen des Grabes. Es war geschafft – und das ohne die Hilfe eines Steinmetzbetriebes - mit einem ausgeklügelten System und der reinen Muskelkraft von zwei Männern. Schnell fixierten wir die Säule an der Einfassung und machten stolz Fotos von dem wiederhergestellten Grab. Diese sendeten wir an Gabriele, die sich ebenfalls sehr über die geglückte Reparatur freute.

Nun konnten die letzten Detailarbeiten beginnen, bei der mir mein lieber Freund Flavio seine Hilfe anbot. Wir brachten die herabgefallene Grabtafel wieder mittels Steinkleber am Grabstein an, putzten und bürsteten die Graniteinfassung auf Hochglanz und brachten noch ein Bildchen des Polizisten Adolf Dörfler an der Grabtafel an, welches wir über eine Internet-Druckerei nachmachen ließen. Jetzt konnte auch jeder Vorbeigehende wieder das Anlitz des Mannes sehen, der so viel für den Ort Silberbach geleistet hat.

Zuletzt spendete uns Gabriele noch 8 Säcke mit buntem Zierkies, mit welchem wir das Grab füllten. Von meiner Mutter erhielten wir außerdem eine liebevoll zusammengestellte Schale mit Kunstblumen, die wir auf dem Kiesbett positionierten.

Von Beginn bis zum Ende der Restaurierung dieses Grabes lernte ich, dass man wahrhaftig Berge versetzen konnte, wenn mehrere Leute aus Liebe und Leidenschaft zusammenarbeiten. Niemals hätte ich gedacht, dass wir das Grab des Polizisten Adolf Dörfler wieder in diesen Zustand zurückversetzen könnten, doch es war möglich.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die hierbei mitgeholfen haben, angefangen bei Frau Uschek, die die Gebühr für die Miete des Grabes spendete. Aber vor allem möchte ich mich auch bei meinem Vater Günther Hochmuth und meinem liebsten und treuesten Freund Flavio Ferraro bedanken, die maßgeblich zum Erfolg dieses Projektes beigetragen haben.

Nach und nach sind wir dabei, weitere Gräber auf dem Silberbacher Friedhof zu retten. Nicht alle können gerettet werden, doch wir versuchen mit unseren einfachen Mitteln unser Bestes. Mit einer Grabpatenschaft könnt auch ihr mithelfen, zur Erhaltung beizutragen. Meldet Euch gerne bei Interesse bei mir, noch ist es nicht zu spät.

Euer Karlwenz-Benny
(Benjamin Hochmuth, Silberbach Nr. 221, ehemals 106, am Hof)