Von Sandra Deimer (Fotos, Infos)
Bericht von Benjamin Hochmuth
Die kleine Stadt Nauheim im südhessischen Landkreis Groß Gerau sieht zunächst nach einem unscheinbaren Örtchen aus. Doch sie gab nach dem Zweiten Weltkrieg, ab 1946 vielen Heimatvertriebenen – vor allem Musikinstrumentenmachern aus dem Musikwinkel zwischen dem Egerland und dem Vogtland – eine neue Heimat. Diese kurbelten im Gegenzug die Wirtschaft des Ortes sdurch eine neu gewonnene Industrialisierung enorm an und machten damit Nauheim zu einer Musikstadt.
Auch wenn die Musikindustrie in den letzten Jahren vor allem durch günstige Nachbauten aus China ziemlich zurückstecken musste, finden wir auch heute noch bei einem Spaziergang durch Nauheim viele interessante Verbindungen – vor allem zur Graslitzer und Schönbacher Umgebung. Man könnte fast sagen, dass Nauheim ein kleines Graslitz und Schönbach geworden ist.
In diesem Bericht wollen wir uns einige ehemalige Firmen und ihr weiteres Schicksal in Nauheim ansehen.
Wir beginnen mit einer großen Graslitzer Firma, nämlich Julius Keilwerth.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Graslitz die Firma enteignet und in das Kombinat Amati (heutiges Amati Denak) umbenannt, wo es bis heute weitergeführt wurde.
Keilwerth gab jedoch nicht auf und belebte in Nauheim sein Unternehmen wieder bis zu seinem Tod im Jahr 1962. Sein Sohn Josef übernahm die Leitung. Ende der 80er Jahre musste dieser mit sinkenden Absatzzahlen durch Billigproduktionen aus China kämpfen und sicherte sich durch Eingliederung in die Firmengruppe Boosey & Hawks seine Existenz.
Etwa 2007 wurde die Produktion nach Markneukirchen im Vogtland verlegt, womit der Firmenstandort wieder in der näheren Umgebung seines Gründungsortes Graslitz gelangte. Die Verwaltung blieb zunächst in Nauheim.
Im selben Jahr gründet der Enkel von Julius Keilwerth, nämlich Gerhard Julius Keilwerth, eine kleine Werkstatt für Saxophone. Im Jahr 2012 verstarb er.
Ein Teil des Unternehmens – nun unter der Gruppe Buffet Crampon – befindet sich noch unter dem Namen Schreiber & Keilwerth in Nauheim.
Auch die Firma Püchner hatte ihren Ursprung unter dem Gründer Vinzenz Püchner in Graslitz – Am Graben. Vor allem Oboen, Klarinetten, Fagotte und Flöten wurden durch Püchner hergestellt. Später übernahm sein Sohn Josef das Unternehmen und bereits die Dritte Generation – nämlich dessen Sohn Walter ergriff den Beruf des Musikinstrumentenmachers. Nach der Vertreibung kam die Familie 1948 nach Nauheim und gründete im Jahr 1955 eine Werkstatt mit Wohnhaus in der Beethovenstraße. Der Familienbetrieb lief noch bis zum Jahre 1988, in welchem Josef Püchner im Alter von 91 Jahren verstarb. Danach übernahm die vierte und fünfte Generation unter Walter Püchner und seinem Sohn Gerald. Noch bis heute ist die Firma tätig und hat ungefähr 30 Mitarbeiter, laut deren Firmen-Homepage. |
Eine Firma, die zwar nicht aus Graslitz, sondern aus Schönbach stammt, soll hier aber ebenfalls nicht unerwähnt bleiben.
1924 in Schönbach (heutiges Luby) gründete der Geigenbauer Franz Sandner sein eigenes Unternehmen, dessen Erzeugnisse bald großen Anklang in der Welt fanden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Enteignung des Betriebes in Böhmen baute sich Franz Sandner in Nauheim eine neue Existenz auf. Das Unternehmen ging später an seinen Schwiegersohn Richard Schuh über und wird bis heute unter dem Namen seines Gründers von Franz Sandners Enkel Dietmar Schuh betrieben.
Ein imposantes Fabrikgebäude in Nauheim war das der Jakob Winter GmbH, welche Etuis für Musikinstrumente, Laptopkoffer, Leichtbauplatten und biologisch abbaubare Urnen herstellt. Es stand in der Graslitzer Straße. Leider ist seit dem Erstellen der Fotos bereits einige Zeit vergangen, so dass große Gebäude inzwischen abgerissen wurde und Wohnblöcken weichen musste.
Auch diese Firma stammt nicht ursprünglich aus Graslitz, sondern wurde 1887 in Schönbach gegründet. Sie feierte im Jahr 2011 ihr 125-jähriges Firmenjubiläum und wird noch heute von den Nachfahren Jakob Winters, nämlich Dennis und Joachim Winter geleitet.
Bei dem Geschäft "Die Instrumentenmacher" handelt es sich um die ehemalige Werkstatt des Heribert Glassl. Leider erinnert schon seit langem nur noch das Schild an der Ecke des Gebäudes an die Musikinstrumentenfabrikation, aber immerhin ist es seinem musikalischen Zweck treu geblieben. Spezialisiert sind die Instrumentenmacher auf den Verkauf von (Blech-)Blasinstrumenten.
Kurz zur Geschichte Glassls: Heribert Glassl begann seine musikalische Schaffenskraft kurz vor der Vertreibung 1946 in Graslitz. Nach der Vertreibung landete er 1954 als Angestellter bei der Firma Keilwerth (siehe oben) in Nauheim. Bereits 1956 gründete er sein Nebengewerbe in Königstädten und verlegte den Firmensitz 1988 nach Nauheim in die Adam-Opel-Straße.
Das Musikhaus Glassl unter der Führung von Heribert und seinem Sohn Jürgen fertigte Trompeten, Posaunen, Tuben und zuletzt Alphörner.
Hier sind nur ein paar der Firmen beleuchtet, die nach den Wirren des Krieges und der Ausweisung der deutschen Bevölkerung in der Graslitzer und Schönbacher Umgebung in Nauheim ihre Weiterführung erlebt haben. Es existieren noch einige weitere Beispiele, die wir vielleicht ein andermal aufführen.
An dieser Stelle möchte ich vielen lieben Dank an Sandra Deimer für einen großen Teil der Informationen und die schönen Fotos mitteilen, deren Familie ebenfalls nach der Vertreibung aus Silberbach nach Nauheim kam.
Euer Benjamin Hochmuth (Karlwenz, ehm. Silberbach 106, heute 221 - Am Hof)